Peter Liaunig – Rede Menage - 2020
Texte

Der Blick von Manfred Wakolbinger richtete sich seit Kindheitstagen nach außen und nach oben. Er war vom ersten Satelliten Sputnik fasziniert und wollte und will wissen, wie weit der Einfluss der Menschen reicht. Manfred ist als Autodidakt in erster Linie Bildhauer, Plastiker. Er sammelte seine ersten Erfahrungen in der Werkzeugbearbeitung und im Werkzeugbau und auch wenn er ab den 1980-iger Jahren angefangen hatte, seine eigenen Ideen und Skulpturen zu entwickeln, so hat er die technische Komponente nie aufgegeben. Seine Gebilde sind genau konstruiert, sind gebaut. Er ist also Plastiker der aus seinem favorisierten Material seine Plastiken kreiert. Anfangs waren das monolithisch wirkende Skulpturen die mit Ihrer rauen, betonartigen Oberfläche fast hermetisch abgeschlossen waren.

Schon hier ist das Thema des Sockels deutlich zu sehen, dass in der Kunstgeschichte des 20 Jhdt. von Rodin zelebriert und von Brancusi fortgeführt wurde bis Künstler wie Giacometti den Sockel bis zur Plinthe reduzierten oder in der Figur auflösten.

In der zweiten Hälfte des 20 Jhdt. waren Künstler beim Thema Sockel zurückhaltend bzw. ablehnend und überließen das Feld den Galerien und Museen. Die Kunst, die Arbeiten mussten ohne die Erhebung bestehen können.

Dieses Sockel-Thema hat Manfred Wakolbinger aber von Anfang auch zu seinem gemacht. So bildeten die ersten Arbeiten ab den späteren 1980-iger Jahren Betonformen aus, deren Außenhüllen Sockel und Plastik in einem waren. Dort stehen Kupferfiguren auf spezifisch geformten Betonkörpern und bilden eine Einheit.

Im nächsten Schritt lässt Manfred Wakolbinger seine Kupfer-Plastiken in den Sockel sinken. Im Inneren entwickelten sich in diesen Blöcken dann Räume die im Gegensatz zur kühlen Außenhülle mit warmem, rotorangem Kupferblech ausgestaltet sind. Das kann man als intellektuelle Idee interpretieren, aber aus meiner Sicht ist das mehr. Je tiefer die Kupferplastiken in den Sockel rutschen, desto mehr entsteht eine Umkehr und der Betrachter wird aufgefordert das Innere einzusehen. Diese Innenwelt ist meist organischer, verspielter und verwirrender wie die schlichte äußere Form. Manfred Wakolbinger dreht den Spieß um und verändert den Außenblick auf einen Innenblick.

Waren viele der frühen Kupferarbeiten sehr sauber und exakt gelötet, so werden ab ca. 2005 vermehrt auch die Arbeitsspuren auf den Arbeiten belassen. Sie werden Teil der Plastiken, die sich zunehmend auch mehr und mehr von geometrischen Körpern in Figuren verwandeln. Diese Figuren bekommen durch Ihre Ausgestaltung und eben auch durch die individuellen Arbeitsspuren einen Charakter. Sie verlassen Ihre Sockel und Glasbehausungen und werden eigenständige Persönlichkeiten. Manfred Wakolbinger nennt sie jetzt auch nicht mehr nach Ihren Baumaterialien Beton, Glas, Kupfer, sondern sie werden als PLACEMENTS in reale und teilweise in virtuelle Räume gestellt. Sie bekommen als TRAVELLER Beine, werden große, teilweise riesige Aliens und gehen als außentaugliche Edelstahlfiguren in alle Himmelsrichtungen der Welt, wie Ihr Schöpfer, der ab dem Jahr 2000 mit dem Tauchen beginnt und für sich einen neuen Raum erschließt.

Das Weltall mag für unsere Generation noch zu weit entfernt sein, aber die Ozeane liegen vor uns und stellen eine kaum erforschte Dimension dar. Manfred Wakolbinger entdeckt für sich als Bildhauer das Meer und seine Tiefe als einen völlig neuen Raum, mit einem ebenso neuartigen Raumgefühl. Das Ein- und Ausatmen als wesentlichstes Element beim Tauchen wird einem in der Tiefe plötzlich bewusst. Unsichtbares wie unsere Atemluft bekommt plötzlich eine dreidimensionale Form von Luftblasen und Luftschlieren. Das Tauchen in größere Tiefen zwingt einen zur Dekompression, wo der Stickstoff im Blut wieder kontinuierlich abgeatmet werden muss. Manfred Wakolbinger nützt diese Dekompressionsphasen und entdeckt die Schönheit der aufsteigenden Luftblasen, die er als organische Gebilde fotografisch festhält. Das Schwebende und Gleitende findet sich dadurch auch in seiner Arbeit ein und vermutlich sind auch die Kopfausbildungen bei den großen Plastiken, die Manfred Wakolbinger ab 2012 als FORCES bezeichnet und die teilweise wie Schlangen aussehen, auf diese Unterwassereindrücke zurück zu führen. Darüber hinaus entdeckt Manfred Wakolbinger beim Nachttauchen vor der indonesischen Insel Sulawesi die Welt der Salpen, eine glasartige Untergruppe der Cordatiere, „Rückgratler“, wie es auch wir Menschen sind. Der Körper dieser fast transparenten Tiere ist ein hufeisenförmiger oder ringförmiges Muskelband, das als Kiemendarm bezeichnet wird. Durch Kontraktion des Kiemendarms filtern diese Tiere, die nachts aus mehreren hundert Metern Tiefe aufsteigen, Plankton durch ihren Körper und bewegen sich pulsierend vorwärts. Auch diese Wesen faszinieren Manfred Wakolbinger und sie werden in wunderbaren Fotos festgehalten. 2016 ermöglicht er uns Zuschauern mit einer Installation in der Artbox im Museumsquartier Installation seine Interpretation dieser neu entdeckten Welt. Die Artbox ist ein riesiger Glaskubus, ein überdimensionales Aquarium, in welchem vor einem riesigen Foto aufsteigender Luftblasen, ein zartes, linienhaftes Gebilde aus Kupfer schwebt. Wir bekommen durch das Glas den Blick ins Innere in eine Welt die uns Menschen normalerweise verborgen bleibt.

Wie schon bei den in den Glassockel, Glaskörper versenkten Kupferarbeiten, zeigt Wakolbinger hier ein linien- und zeichenhaftes fragiles Kupfergebilde, dass frei im Raum schwebt. Ein solches Beispiel ist hier in der Ausstellung unter dem Titel GALAXIES zu sehen. Ähnliche Arbeiten werden als CIRCULATIONS bezeichnet, was auf seine Beschäftigung mit Blutgefässen zurück zu führen ist. Nicht der Blick ins All sondern ins Innere von Meer, Tier und Mensch führt Manfred Wakolbinger zu neuen Arbeiten.

Und MW weiss die neuen digitalen Werkzeuge des Computers für sich zu nützen. Wakolbinger verwendet die Unterwasserfotos der Salpen und verändert sie digital zu völlig neuen Bildern, die er REVERSALS nennt, wovon man einige Beispiele hier in der Ausstellung sehen kann. Oder aber er generiert damit unglaubliche Filme mit pulsierenden Galaxien und expandierenden Welten. Wakolbinger erfüllt sich damit quasi seinen Jugendtraum- den Blick ins All. Der Weg dorthin erfolgt durch Reduktion der Fotos, indem die verführerische Farbe entzogen wird. Übrig bleiben nur die schwarz-weißen Strukturen der fotografierten Gebilde.